1 Der Fehler
Die Welt hat einen Fehler, und dieser Fehler ist in meinem Kopf. Jeden Tag wird er ein wenig größer.
Ich habe schon als Kind gewusst, dass die Welt Fehler hat. Und die Erwachsenen? Mein Gott, die taten, als wüssten sie Bescheid, und hatten doch von nix ’ne Ahnung. Wie kann Gott vollkommen und
allmächtig sein, hab ich mich gefragt, wenn der Teufel existiert und alles durcheinander bringt? Wie kann Gott zulassen, dass er die Menschen böse macht? Wieso hat Gott einen Plan und erschafft
dann eine Kreatur, die ständig dagegen arbeitet? Das ergab überhaupt keinen Sinn für mich. Ich bin mit meiner Frage zum Pfarrer, der war schließlich Spezialist für Heiliges und Ewiges. Ich hätte
es wissen müssen. Seine Antwort war so lang und verworren, dass ich gegangen bin, bevor er damit fertig war. Ich hab ihn nie wieder was gefragt.
Wer nicht in der Lage ist, eine klare Antwort zu geben, der hält besser die Klappe. Das wusste ich schon mit neun. Deshalb habe ich jahrelang selbst mein Maul gehalten. Kein Witz! Ich war in der
Schule so gut wie stumm, hatte keine Freunde, hab zuhause im Zimmer gehockt und irgendwas gemacht, ganz still für mich. Meine Mutter hat mich oft gefragt, was mit mir los ist. Ich konnte es nicht
sagen. Es war so kompliziert, dass es eh keiner verstanden hätte. Falls ich es überhaupt in Worte hätte fassen können. Also habe ich meine Fragen lieber bei mir behalten.
Irgendwann, dachte ich, kommt der richtige Moment, um sie zu stellen. Bei manchen Fragen war das tatsächlich so. Andere sind im Schweigen versunken.
Ich liebe Wörter. Vielleicht war ich deshalb so vorsichtig mit ihnen. Irgendwann habe ich sogar aufgehört, meinen Namen zu nennen. Ich wollte ihn auch von niemand anderem mehr hören.
So halte ich es bis heute, und ich fahre gut damit.
Gustav rief mich an, wie er das immer macht, kurz vor Mitternacht. Ich hatte gerade was eingeworfen, es ging mir mies, ich wollte nichts mehr hören, nichts mehr sehen, nichts mehr sagen. Nur noch
staunen.
Na, gestaunt hab ich, als er’s mir erzählte. Der Job hörte sich nicht schwierig an und ich dachte, das ist schnell erledigt. Aber im Moment läuft bei mir alles anders, als ich es mir
vorstelle. Das heißt, wenn ich ehrlich bin – eigentlich war das schon immer so.
Ich habe einen Job, der ziemlich viel einbringt. Ich bin gut, und ich bin gründlich. Das bringt lukrative Aufträge, seit über vierzig Jahren.
Da müsste ich eigentlich nicht mehr arbeiten, denken Sie jetzt sicher, und so war das auch, bis vor ein paar Jahren. Damals habe ich den größten Fehler meines Lebens gemacht, und ich habe große
Fehler gemacht. Aber dieser stellt alle anderen in den Schatten. Nur wegen diesem Scheiß muss ich immer noch arbeiten. Und ich habe schon lange keine Lust mehr, das können Sie mir glauben.
Damals habe ich mir gesagt, dass es besser ist, wenn ich mein Geld irgendwie anlege. Also bin ich in eine Bank und habe mich beraten lassen, eine große Filiale der Deutschen Bank in Köln. Das
hört sich so offiziell an, dachte ich, die müssen wissen, was sie tun.
Ich habe viel dazugelernt seitdem.
Aber die anderen hätten es nicht anders gemacht. Damals waren alle wie verrückt auf Aktien und Fonds und das ganze Zeug.
Zwei Jahre später war alles weg. Ich musste sogar mein Auto verkaufen.
Sie haben zu risikofreudig investiert, sagte mir der junge Bursche nachher. Dabei war es die Pappnase doch selber gewesen, die mir den Mist aufgeschwatzt hatte. Wäre ich damals nicht so viel
unterwegs gewesen, dann hätte ich mich intensiv um diesen ›Berater‹ gekümmert. Wäre mir ein Vergnügen gewesen.
So musste ich weiter arbeiten, obwohl ich mich schon längst zur Ruhe setzen wollte. Zum Kotzen. Augen, Rücken und Beine werden ja nicht besser mit den Jahren. Ein bisschen was konnte ich
zurücklegen, immerhin, aber es war nicht genug, um ganz ohne Arbeit über die Runden zu kommen. Vielleicht noch ein großer Job, dann könnte es hinhauen.
Und dann dieser Anruf mitten in der Nacht. Es war wie ein Geschenk.
Also hab ich gesagt, Gustav, du Arsch, ich mach’s, kenne dich ja lange genug. Aber nicht für billig, und danach ist Feierabend. Du weißt doch, ich bin nicht mehr so fit wie früher. Und er hat
gesagt, ok, das ist der letzte Job. Endgültig.
Wir wussten beide nicht, wie recht wir hatten.
Der Typ, um den es ging, war ein wichtiger Zeuge, der von der Bullerei versteckt wurde. Klarer Fall für einen Spezialisten. Und genauso klar, dass Gustav an mich dachte.
Er vermittelt diese Jobs nur, die eigentlichen Auftraggeber sind andere. Mit Gustav bin ich meistens gut klargekommen, vielleicht mochte ich ihn sogar ein bisschen. Längst nicht so wie Kalle,
klar, aber ich respektierte seine Zuverlässigkeit. Bei ihm war ein Wort ein Wort.
Wie gesagt, es war kurz vor zwölf in der Nacht. Ich hatte mal wieder Kopfschmerzen, ziemlich heftig, wollte mit keinem mehr reden. Als ich sah, dass er es war, ging ich doch dran, und dabei fiel
mir das Handy hin. Ich hatte es nicht gespürt. Ich musste es mit der rechten Hand aufheben. Die linken Finger waren komplett taub.
Gustav war noch dran. Er bot mir diesen Job an, erklärte, wie viel Zeit ich hätte, dass es auf exakte Arbeit ankäme.
»Der Job ist nicht einfach. Aber er ist superwichtig. Mach keinen Fehler, Libero. Es wäre dein letzter.«
»Ich kann es nicht leiden, wenn man mir droht«, sagte ich.
»Ich bin sonst selbst erledigt«, sagte er.
Ständig bellte sein Scheiß-Dackel dazwischen. Ich war ziemlich genervt und sagte, es müssten hundertachtzig Riesen sein und sechzig vorab, drunter würde ich das nicht machen, und er meinte, das
wär aber teuer und er müsste das klären und würde noch mal anrufen. Dann mach schnell, sagte ich, sonst weiß ich nicht, ob ich’s noch richtig mitkriege. Kurz darauf war er wieder dran und sagte,
ok, wir sind im Geschäft.
Geht doch.
Ich weiß noch, wie ich die ganze Zeit verwundert meine linke Hand angeschaut habe. Die Finger waren immer noch gefühllos.
Das war Tag minus drei.
Ich rechne ab dem Tag, an dem man mir von dem Fehler erzählte. Alles andere ist relativ zu diesem Datum.
Datum, das heißt wörtlich »das Gegebene«. Scheiß-Latein.
Manchmal denke ich, dass Wörter einen zweiten oder dritten Sinn haben, einen, der viel wichtiger ist als der oberflächliche Sinn, den wir meinen, wenn wir sie benutzen. Aber sie verändern sich
mit jedem Zusammenhang, und oft drücken sie sich weg, fließen in eine Sinnform, die nur in diesem Moment, unter diesen Umständen und vielleicht nur für einen einzigen Menschen erkennbar und
verständlich ist. Beim nächsten Mal fühlen sie sich wieder anders an, lösen andere Gedanken aus. Unfassbar. Als hätten sie eine eigene Intelligenz.
Ich gehe an meine Arbeit sehr nüchtern heran, mit chirurgischer Präzision. Organisation ist alles. Name, Adresse, spätester Termin – mehr will ich gar nicht wissen. Nüchterne Betrachtung der
Fakten und Ziele, Abwägung der Optionen, Entscheidung über das Vorgehen, dann Planung, Erkundigungen, Umsetzung. Fertig.
Ich bin ein absoluter Profi. Niemand, der etwas über meinen Job weiß, kennt mein Gesicht. Bis auf Gustav und Kalle. Gustav ist mein Auftraggeber, der wird die Klappe halten, und für Kalle lege
ich meine Hand ins Feuer. Wir haben schon so viel gemeinsam durchgestanden.
Davon abgesehen wissen die beiden, was sie erwartet, wenn sie mich verarschen.
In der Branche bin ich bekannt als Ausputzer. Und weil hier alle so verrückt auf Fußball sind, nennen sie mich den Libero. Das ist italienisch und heißt »freier Mann«, hat mir Kalle mal erklärt.
Ich verstehe nichts von Fußball, aber das gefällt mir. Auch wegen der Tarnung. Meine Freiheit ist mir wichtiger als alles andere.
Ben Hagenfeld hieß der Typ, wohnhaft in Düsseldorf. Der Name war mir bekannt, ich sag’ Ihnen auch gleich, wieso. Und ein Düsseldorfer mehr oder weniger – wen interessiert das außerhalb von
Düsseldorf? Ich komme aus Köln, da schaut man nicht rheinabwärts, wenn man’s vermeiden kann.
Ich hatte vier Wochen Zeit für den Job, mehr als genug. Dachte ich jedenfalls.
Gleich am nächsten Tag habe ich die Adresse überprüft. Eine Wohngegend mit durchweg vier oder fünf Etagen, ein Bau am anderen, die ganze Straße runter. Hauptverkehrsstraße gleich nebenan, aber
nicht so laut, dass es nervte.
Dachte erst, das kann nicht sein, wer in so einer Gegend soll es wert sein, dass ich mich um ihn kümmere? Und für hundertachtzig Riesen, ich bitte Sie!
Ich wollte die Namen checken, die da gemeldet waren. Es gab acht Klingelschilder. Und dann fiel mir wieder was auf. Ich schaute hin, und konnte immer nur die lesen, die ich gerade nicht
anschaute. Der Name im Zentrum meines Blicks war wie weggeblasen. Ich kniepte dauernd und dachte, brauchst du jetzt eine Brille oder hast du eine von den Pillen gestern nicht vertragen? So stark
hatte ich das noch nie gehabt.
Und der Name Hagenfeld war auch nicht dabei.
Das fängt ja gut an, dachte ich, und rief gleich Gustav an.
»Nee«, sagte der, »die Adresse ist ok, er heißt jetzt anders.«
»Wie, anders, hat der geheiratet oder was?«
»Quatsch«, sagte er, »Zeugenschutz und neue Identität.«
Sieh mal an. Gut, dass ich fett kalkuliert hatte.
Ich schaute mich um und überlegte. Sperrmüll vorm Eingang, neben der Tür ein Zettel mit der Nummer vom Hausverwalter. Vielleicht war ja gerade was frei geworden. Ich rief sofort an.
Im zweiten Stock war tatsächlich jemand ausgezogen. Die Wohnung wurde geräumt und renoviert. Ob ich sie mir anschauen wollte.
Klar wollte ich.
Er kam zehn Minuten später und zeigte mir die siebzig Quadratmeter. Was soll ich sagen? Auf einer Skala zwischen null und hundert holte sie eine souveräne Sechs. Verwohnt wäre noch geschmeichelt.
Nur Kalles Bude konnte das unterbieten. Klar, Kalle definiert den Nullpunkt der Skala, nicht nur was Wohnungen angeht. Gib Kalle eine Woche, und er verwandelt jede Prinzensuite in einen
Nullpunkt. Er ist der Emir der Entropie, der Kallebrierpunkt schlechten Geschmacks.
»Sind alle Wohnungen im Haus gleich angelegt?« fragte ich.
»Ja, alle mit demselben Grundriss. Die auf der anderen Seite des Flurs sind genauso, nur seitenverkehrt.«
Praktisch, dachte ich.
Was soll ich sagen, ich hab die Bude gemietet. Sie sollte ja noch renoviert werden.
»Aber machen Sie flott«, sagte ich beim Gehen.
Irgendwie hatte ich’s eilig.
Mein persönlicher Nullpunkt kam zwei Tage später. Nicht, dass es mein erster Nullpunkt gewesen wäre. Ich hatte einige in meinem Leben. Dieser wird der letzte sein. Klingt fast wie ein
Trost.
Aber der Reihe nach.
Gleich nach der Wohnungsbesichtigung bin ich zu einem Optiker, wollte wissen, ob ich eine Brille brauche. Er hat sich meine Augen angesehen und gemeint, ich müsste erstmal zum Augenarzt, und zwar
unbedingt. Da wäre was im rechten Auge nicht in Ordnung. Er rief sofort einen an, damit ich schnell drankäme. Mist, ausgerechnet das rechte.
Gut, ich also zum Augenarzt. Nach nur zweieinhalb Stunden Warten bin ich schon dran. Der Mann schaut sich das an, nimmt sich Zeit, dann erklärt er mir, ich hätte ein Netzhaut-Ödem. Dadurch wäre
meine Sicht eingeschränkt. Ob ich Diabetes hätte. Nein. Ob mir sonst irgendwas aufgefallen wäre. Ja gut, die Kopfschmerzen in den letzten Wochen, nachts und morgens vor allem. Ich bin in letzter
Zeit manchmal ungeschickt, hab mich neulich beim Zwiebelschneiden in den linken Zeigefinger geschnitten, hab schon mal was fallen lassen. Ist mir früher nie passiert. Er fragt nach. Ja, immer mit
links. Und morgens ist mein Blutdruck im Keller. Aber das geht ja vielen so.
Man kann das Ödem mit Injektionen behandeln, direkt ins Auge. Geht ambulant, aber nur bei klinischen Bedingungen. Er macht so was. Das Zeug ist ziemlich gut, allerdings nicht von der Kasse
anerkannt, kostet 1500 Euro für die gesamte Behandlung. Und Termine sind schwierig, er ist ziemlich ausgebucht.
Ich sage, morgen fangen wir an und ich zahle bar, Rechnung nicht nötig.
Bestens, sagt er, gerade ist ein Termin frei geworden.
Dabei hat er nicht mal in seinen Kalender geschaut.
Er schickt mich noch am selben Tag in die Uniklinik, ich soll die Symptome auf jeden Fall prüfen lassen. Ruft sogar selbst da an und organisiert einen Termin. Sowas hab ich noch nie erlebt. Ich
bin gleich anschließend mit einem Taxi dahin, wurde stundenlang durchgecheckt, mit EEG, EKG, MRT und Pipapo. Damit die Sache möglichst schnell ein Ergebnis brachte, hab ich jedem, der mir nicht
blöd kam, einen Zwanziger Trinkgeld in die Hand gedrückt.
Und was denken Sie: Schon den Tag drauf sollte ich wiederkommen, um die Diagnose zu hören.
Am nächsten Morgen bin ich erstmal wieder zum Augenarzt, Spritze ins Auge abholen. War nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Danach ab in die Uni-Klinik.
Der Oberarzt war sehr professionell. Er meinte, das neuroektodermale Gewebe des zentralen Nervensystems sei betroffen, es handele sich um ein intrakranielles Meningeom vierten Grades.
Interessant, meinte ich, und was ist das?
Ein Tumor.
Das sagte mir mehr, als mir lieb war.
Bösartig.
Damit kannte ich mich auch aus.
»Wie viele Grade gibt’s denn?« fragte ich.
»Vier«, sagte er.
Ich muss so blöd gekuckt haben, dass er mir das alles erklärte. Er meinte, der Tumor drückt auf Zentren im Hirn, die meine Bewegungen steuern (linker Arm, Hand), und auf den Sehnerv (rechtes
Auge). Und warum ich so spät gekommen sei, operieren könne man jetzt nicht mehr, und er wolle mir keine falschen Hoffnungen machen. Ob ich ein offenes Wort vertragen könne. Nichts anderes, hab
ich gesagt. Gut, er schätze, dass mir drei bis fünf Wochen blieben, schwer zu sagen. Aber zu Bestrahlung und Chemo würde er raten, das könne gleich nächste Woche losgehen.
Ach, und es könne in nächster Zeit verstärkt zu Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Gedächtnisverlust, Lähmungen, Krämpfen, epileptischen Anfällen, Wesensveränderungen und weiteren Symptomen
kommen. Schwer zu sagen, weil man nie weiß, wie ein Tumor weiter wächst.
»Und die Behandlung –«, fragte ich.
»Chemotherapie und Bestrahlung. Sie müssen für ein, zwei Wochen regelmäßig in die Uniklinik fahren, bei schlechter Verträglichkeit auch stationär.«
Die möglichen Folgen seien ja bekannt: Haarausfall, Übelkeit, Schwäche, Müdigkeit, Überempfindlichkeit bei Geräuschen, Gerüchen, Helligkeit usw. Zusätzlich zu den Symptomen, die der Tumor
verursacht.
»Geht mir auch ohne Behandlung schon beschissen genug«, sagte ich.
Ob ich noch Fragen hätte.
Hatte ich erstmal keine.
Dann hat er mir ein Rezept geschrieben und alles Gute gewünscht.
Wie gesagt, an dem Tag hab ich meinen persönlichen Zähler auf Null gestellt.
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Inhalt
»Libero« ist der Deckname eines Killers. Nur zwei Menschen kennen seine wahre Identität. Aber auch Killer sind Menschen, und Menschen sind sterblich. Mit einer tödlichen Diagnose tritt er seinen
letzten Job an, der ihm eigentlich das Geld für die Rente bringen sollte. Zunächst will er ihn wie gewohnt erledigen, doch dann findet er heraus, dass er einen 18-Jährigen beseitigen soll, um die
schmutzigen Geschäfte reicher Geschäftsleute zu schützen. Er trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Plötzlich wird er selbst zum Gejagten. Er und sein Schützling sind aufeinander angewiesen, wenn sie überleben wollen. Ihre Gegner sind einflussreich, zugleich setzt die Erkrankung dem Libero
immer mehr zu. Aber er ist zäh – und er steckt voller Überraschungen.
© Rhein-Mosel-Verlag
Prolog
Ich bin raus. Und ich bin froh, dass ich raus bin, war es vom ersten Tag an. Kann diese coolen Typen nicht mehr sehen, ob sie nun Kriminelle sind oder Polizisten. Sie halten sich für „cool“,
was immer das heißen soll. Ich finde sie einfach nur ignorant.
Ich war neunzehn, als ich in den Polizeidienst eingetreten bin, vor neunundvierzig Jahren. Ich wollte die Täter nicht nur hinter Schloss und Riegel bringen, sondern mit ihnen reden,
verstehen, warum sie es getan hatten. Ich gebe zu, das war naiv.
Na und? Lieber naiv als cool. Ich war nie cool, hab mir auch nie Gedanken darum gemacht. Ich wollte überhaupt nie irgendwas anderes oder irgendwer anderer sein als ich selbst. Das fand ich
schon schwierig genug
Immerhin, manche von den Jungs haben mich tatsächlich verstanden. Die paar haben kapiert, dass ich sie als Menschen gesehen habe, nicht als Kriminelle. Es waren nicht viele, vielleicht sieben
oder acht. In neunundvierzig Dienstjahren. Aber die sieben oder acht haben ihr Leben geändert und sind ausgestiegen. Das hat mir viel bedeutet. Denn auf einen, der es schafft, kommen fünfzig, die
es versuchen. Und tausend, denen es scheißegal ist. Die nur lachen über einen naiven Bullen wie mich.
Wie gesagt – ich bin froh, dass ich raus bin.
Koller kenne ich, seit er in meinem Kommissariat angefangen hat, einige Jahre vor meiner Pensionierung. Er hört zu, nimmt sich Zeit. Man hat bei ihm den Eindruck, er will den Dingen auf den
Grund gehen, denkt nach über Hintergründe und auch über sich selbst. Das fiel mir einfach auf. So jemand hat’s schwer. Glauben Sie mir, ich weiß, wovon ich rede.
Ich sage Ihnen, wir werden niemals behaupten können, dass wir über jemanden Bescheid wüssten, dass wir verstanden hätten, wie ein Mensch tickt. Es kommt immer einer, der denkt ganz anders,
als wir uns vorstellen können. Einer, der unsere Welt auf den Kopf stellt, weil er seine ganz eigene Logik hat, seinen ganz eigenen Weg geht. Und irgendwie sogar recht hat, auf seine ganz eigene,
unerwartete Weise. Bloß, seine Weise passt nicht in diese Welt, weil kein anderer sie versteht. So wie in diesem Fall.
Das ist ein Problem, für das es keine Lösung gibt. Ich jedenfalls kenne keine. Nicht in dieser Welt.
1
„Ja, wenn ich es doch sage: ein Schnitt! Komm her und sieh dir das selbst an. So was habe ich in all meinen Dienstjahren nicht gesehen.“
Koller blickte ungläubig auf sein Handy. Hatte er richtig gehört? Aber Kollege Berger war nicht für schrägen Humor bekannt.
Es war ein Samstagvormittag im Juli. Er stand hinter der Kasse im Supermarkt, steckte das Handy ein und machte sich auf den Heimweg. Zurück in der Wohnung packte er die Einkäufe in den
Kühlschrank. Im Flur griff er nach der Baumwolljacke an der Garderobe und rief Jenna zu, dass er einen Einsatz hätte, doch es kam keine Antwort. Er zuckte die Schultern, schnappte sich den Helm
und ging.
Der Tatort lag in der Nähe der Bonner Universität am Rathenau-Ufer, in Sichtweite der Kennedy-Brücke und des Rheinpavillons. Mit dem Roller brauchte er weniger als eine Viertelstunde. Es war ein
schwimmender Anleger für Personenschiffe, wenige Schritte rheinaufwärts von der Fähre nach Bonn-Beuel.
An einem sonnigen Wochenende wie diesem waren jede Menge Leute unterwegs. Koller parkte die Vespa neben dem flatternden Band und bückte sich unter der Absperrung durch. Er betrat den Steg, der zu
dem schwankenden Anleger hinabführte. Der Rhein führte wenig Wasser.
Die Anlegemole bestand aus einer sechseckigen Konstruktion aus Eisenplatten. Sie bildeten ein Ponton, das außer über den Steg über je zwei Stahlseile am vorderen und hinteren Ende mit dem Ufer
verbunden und so in der Strömung verankert war. Das Ponton hatte die Größe eines kleinen Kellerraumes. Durch eiserne Falltüren gelangte man hinein.
Berger wartete neben der offenen Eisenklappe. Koller beugte sich über die quadratische Öffnung und sah den Arm einer Frau.
„Die Spusi war schon da, wir können rein“, sagte Berger.
Koller zwängte sich durch die Falltür und stieg die Eisenleiter hinab. Ein Kollege von der Spurensicherung hatte zwei starke Leuchten aufgestellt, die den schwarz gestrichenen Eisenraum in
helles, doch zugleich seltsam graues Licht tauchten. Der Stahlboden wurde vom Fluss kühl gehalten, Wände und Decke dagegen waren heiß von der Sonne.
Die Frau lag auf dem Boden des Pontons. Die linke Ledersandale war von ihrem Fuß gerutscht. Fliegen kreisten um die Tote.
Ihr weißes Sommerkleid war mit großen, roten Blumen bedruckt. Eine Blüte auf ihrem Bauch war seltsam in die Breite gezogen. Es war Blut, das sich ausgebreitet hatte.
„Was weißt du?“ fragte er Berger, der jetzt neben ihm stand, ohne den Blick von der Frau zu wenden.
„Nicht viel“, erwiderte Berger. „Ein Penner, der hier unten übernachten wollte, hat sie gestern am späten Abend gefunden.“
„Warum erfahre ich erst jetzt davon?“ fragte Koller ohne Vorwurf.
Er öffnete einen Knopf an seinem Hemd. Er war gerade erst gekommen, und schon drang ihm der Schweiß aus allen Poren.
„Erst heute morgen wurden wir angerufen. Der Penner ist die ganze Nacht herumgelaufen, wohl aus Angst, man könnte ihn gesehen haben. Dann hat er irgendwem davon erzählt und wir wurden informiert.
Anonym.“
„Na traumhaft. Der oder die Täter hatten also alle Zeit der Welt, sich davonzumachen.“
Die Männer hatten Schweißperlen auf der Stirn, schweigend betrachteten sie die Tote. Sie war Anfang dreißig, vielleicht einsfünfundsechzig groß, kräftiges Haar, blond gefärbt, am Scheitel dunkler
Ansatz. Roter Lippenstift ließ ihr Gesicht noch blasser wirken. Markante Wangenknochen prägten das breite Gesicht. Die Haare am Hinterkopf waren blutverklebt.
„Was sagtest du von einem Schnitt?“ fragte Koller.
Berger gab ihm einen Wink, sie knieten sich neben die Tote.
„Dr. Schengen sagte was von ,Tod durch induzierten Herzstillstand‘“, sagte er.
Er wies auf einen etwa fünfzehn Zentimeter langen Schnitt links unter dem Brustkorb. Mit einem Kugelschreiber hob er das zerteilte Kleid vorsichtig an, so dass Koller die darunter liegende Haut
sehen konnte. Sie klaffte ein wenig auseinander. Ein Schnitt war offenbar durch das Kleid hindurch ausgeführt worden, mit einer sehr scharfen Klinge. Sie hatte Haut und Fleisch unterhalb der
Rippen glatt durchtrennt.
„Der Schnitt ist gerade so groß, dass —“
Bergers Stimme klang heiser, gepresst, brach dann ganz ab. Koller sah ihn erstaunt an, während Berger sich räusperte und mit rauer Stimme weitersprach.
„— dass eine Hand hindurch passt.“
Ein eiserner Riegel wurde zurückgeschoben. Knarzend öffnete sich die Tür, Sonnenlicht flutete in die Kammer und blendete die Frau. Erschrocken wandte sie den Kopf ab und legte einen Arm vor die
Augen. Sie hockte auf dem Boden, nackt.
Schritte knirschten. Ein Mann legte ihr ein Hundehalsband um, hakte eine Lederleine ein und zog sie wortlos daran hoch. Dann zerrte er sie ins Freie.
Die Frau konnte sich kaum auf den Beinen halten. Ihre Schenkel waren von Exkrementen, Staub und Blut verdreckt, der Rücken von Wunden verkrustet, ebenso Arme und Hände. Ihr Alter war kaum zu
erkennen, das Gesicht war zu sehr geschwollen, aber sie schien recht jung zu sein.
Mit einem scharfen Ruck brachte der Mann sie zum Stehen. Schwankend blickte sie sich um.
Sie war umringt von etwa dreißig Frauen, die sie nur schemenhaft sehen konnte. Aber sie wusste, wer da stand, wenn sie auch nicht die Namen kannte. Alle waren zwischen achtzehn und
fünfundzwanzig, drängten sich ängstlich aneinander. Keine sagte ein Wort.
„Seht genau hin!“ brüllte der Mann. „Das passiert, wenn ihr versucht zu fliehen!“
Er schlug sie mit der Hundeleine. Sie schrie auf. Die anderen Frauen rissen die Augen auf, hielten die Hand vor den Mund.
„Hinsehen sollt ihr!“
Wieder schlug er die Frau. Sie hielt die Hände über ihren Kopf, doch sie war völlig schutzlos. Er gab ihr einen Stoß, sie fiel hin. Dann öffnete er seine Hose und urinierte auf sie.
„Überlegt es euch gut. Ihr habt keine Chance.”
Er ließ die Leine fallen.
„Heute Abend will ich Halsband und Leine sauber wiederhaben. Und du —“ er stieß die Frau mit dem Fuß an, „— wasch dich, du Schlampe, du siehst zum Kotzen aus.“
Als er ging, war selbst der Sonne das Lachen vergangen.
2
„Lass uns von hier weggehen, Vera“, sagte der junge Mann.
Er hielt die Hand des Mädchens, das ihm in dem kleinen Café gegenüber saß.
„Hier in Moldawien ist es so schwer, Arbeit zu finden. Aber wenn wir erst im Westen sind –“
„Glaubst du wirklich?“
„Schau dich doch um! Es kann nur besser werden.“
„Aber meine armen Eltern, Alex!“
„In Österreich wirst du als Kellnerin mehr Geld verdienen, als du hier jemals könntest. Dann kannst du ihnen so viel schicken, dass sie gut versorgt sind.“
„Das stimmt.“
Sie war neunzehn und liebte ihren starken Alex. Seit drei Wochen waren sie zusammen. Auch ihre Eltern hatten ihn schon kennengelernt. Er hatte mit seinem Handy sogar Fotos von ihnen gemacht, weil
er sie so gern mochte.
„Dann lass uns bald fahren. Hast du deinen Pass?“
„Ja, aber ich habe Angst, Alex. Was ist, wenn wir uns streiten oder nicht mehr vertragen? Wie soll ich dann nach Hause kommen?“
Er küsste ihre Hand.
„Vertrau mir, Vera. Du hast doch schon angefangen, Deutsch zu lernen.“
Sie lächelte. Im Westen würde alles besser werden, sie würde Geld verdienen und ihre Eltern unterstützen können, die von ihrer lächerlich niedrigen Rente nicht leben konnten. Und es war so schön,
verliebt zu sein.
„Was hast du gesagt?“ fragte Koller ungläubig.
„Es ist mehr als nur eine Freundschaft, wir haben eine Beziehung“, sagte sie und sah ihm in die Augen. „Und ich bin sehr glücklich.“
Jenna sprach ganz ruhig. Falls sie nervös sein sollte, so war nicht viel davon zu bemerken.
Koller versuchte zu begreifen, was der Satz bedeuten würde, den er soeben gehört hatte. Vergeblich.
Jenna hielt genau wie er eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand, sie standen vor dem neuen Kaffeeautomaten in der Küche. Es war Samstagnachmittag, er war nach dem Besuch des Tatorts wieder
zuhause.
„Wie lange geht das jetzt schon?“ fragte er heiser.
„Seit letzter Woche. Du weißt doch, ich hatte angerufen, dass ich in Köln bleiben und bei Rolf übernachten würde, weil es schon so spät war.“
„Ja, aber ich dachte nicht, dass du ... dass ihr ...“
„Ich wollte sicher sein, dass es nichts Zufälliges ist“, sagte sie. „Er sagt, er liebt mich, und ich liebe ihn.“
Sie sah ihn unentwegt an. Er liebte seine Frau, und doch war es seit Jahren nicht einfach gewesen. Seit einem Jahr hatten sie immer weniger miteinander gesprochen und zuletzt kaum noch
miteinander geschlafen.
Verlegen standen sie sich gegenüber und schwiegen. Schließlich gab sie sich einen Ruck und sagte, sie wolle erstmal duschen gehen.
Er blieb in der Küche, trank von dem heißen Kaffee und versuchte zu sortieren, was da in ihm vorging. Es wollte ihm nicht gelingen.
Er hörte das Wasser in der Dusche rauschen, zog sich an und irrte hinaus in den Sommertag, dessen Heiterkeit ihn frieren ließ.
Der kleine, stämmige Mann seufzte. Er schulterte seine Reisetasche und trat aus dem Gasthaus hinaus in das Licht der Maisonne. Am Rande der staubigen Straße blieb er neben seinem weißen
Mercedes-Kleinbus stehen. Er legte die Hand an den Schirm seiner Kappe und schaute mit zusammengekniffenen Augen in den Dunst, der die Straße am Horizont verschluckte.
Bald würde auch er mit seinem Bus in dieser Ferne verschwinden.
Er öffnete die Beifahrertür, warf seine Tasche hinein und ging ein letztes Mal um den Wagen herum. Sorgfältig kontrollierte er Reifen und Bremsen.
In Kirgisien fahren Hunderte dieser alten Kleinbusse, Marshrutki genannt. Lokman hatte die Marshrutka vor ein paar Jahren gekauft, um sein Geld damit zu verdienen. Eine Zeit lang war er von der
Hauptstadt Bishkek aus Überlandstrecken gefahren, später auch nach Almaty und Taras in Kasachstan und nach Taschkent in Usbekistan. Das waren überschaubare Strecken von einigen Hundert Kilometern
gewesen.
Seit er für die Organisation arbeitete, fuhr er von Zentralasien bis an den Rand Europas. Sie hatte ihm vor seiner ersten Fahrt das gesamte Auto überholen und sogar neue Reifen aufziehen lassen.
Der Wagen war mehrere Tage in der Werkstatt gewesen, ohne dass er dafür bezahlen musste.
Er öffnete die rechte Hecktüre. Im Gepäckraum hinter der Sitzbank stand ein großer Wasserkanister mit Zapfhahn auf zwei Reserverädern, festgeschnallt mit Gurten. Daneben lagen Decken und ein
Karton mit Zeitschriften gegen die Langeweile.
Er nahm seine Militärkappe ab und fuhr sich mit der Hand durch das kurze, schwarz glänzende Haar. Bald würde es losgehen.
„Lokman!“ Ein Mann stand in der Tür und winkte. „Hast du noch Zeit für einen Tee?“
Er machte eine beruhigende Geste mit der Hand. Ihm blieb reichlich Zeit, bevor er los musste. Und selbst dann hatte er es nicht eilig. Wer würde schon pünktlich sein, hier in Kalinovka,
Kirgisien. Dennoch warf er einen Blick auf seine goldene chinesische Armbanduhr. Einfach weil sie neu war und so schön in der Sonne funkelte. Sie zeigte sogar das Datum an. 20. Mai.
„Gleich!“ rief er zurück.
Er warf einen Blick in den dreißig Jahre alten Mercedes-Bus. Dieses Auto war sein ganzes Kapital.
Lokman seufzte wieder. Er war seit vierzehn Jahren Fahrer und hatte fast alles erlebt, was es gab. Er kannte alle Schleichwege von Ulan Bator bis Istanbul und Hunderte von Leuten, die ihm für
kleines Geld eine große Hilfe waren. Seine Erfahrung und Kontakte zahlten sich aus. Aber etwas hatte sich verändert. Nein, er hatte sich verändert.
Das wird meine letzte Tour werden, dachte er. Meine allerletzte. Es ist Zeit für etwas Neues.
Zwölf Passagiere hatte man ihm angekündigt für die Tour. Zwölf war eine gute Zahl, seine Lieblingszahl. Das würde Glück bringen. Und genug Bakschisch für alle, die unterwegs wegschauen sollten.
Am Sonntagvormittag fuhr Koller ins Büro. In seinem Bauch glühte eine Kugel, die sich entzündet hatte, kurz nachdem er die Augen geöffnet hatte. Jenna. Verdammt. Das konnte doch nicht wahr sein.
Er hatte ungläubig auf die schlafende Frau gestarrt, die neben ihm im Bett lag. Seit Jahren wachte er neben ihr auf, kannte jedes Fältchen, jede Strähne an ihr, wusste ohne hinzuschauen, wie ihre
Hand auf dem Kissen lag. Aber heute morgen war sie bei aller Vertrautheit wie eine Fremde gewesen.
Er hatte sich ohne Frühstück auf den Weg gemacht. Ihm war, als wäre seine Haut ein zu kleiner Anzug aus Gummi, der ihm den gesamten Körper zusammenzog. Er hatte eine Weile gebraucht, bevor er die
Kraft fand, den Zündschlüssel zu drehen.
„Die vorläufige Gewebeuntersuchung lässt annehmen, dass die Frau gestern zwischen siebzehn und neunzehn Uhr gestorben ist. Sie muss noch gelebt haben, als der Schnitt durchgeführt wurde“, sagte
eine weibliche Stimme.
Dr. Klara Schengen, die den Leichnam untersucht hatte, war durch die offene Tür hereingekommen. Sie warf ihren Bericht auf Bergers Schreibtisch.
„Ob sie bei Bewusstsein war, kann ich nicht sagen.“ Sie stand neben den Schreibtischen und blickte aus dem Fenster in den blauen Himmel. „Und ich glaube, ich will es auch gar nicht wissen.”
Koller nahm einen kräftigen Schluck aus seinem Pott.
„Wer lässt sich so was einfallen, der nicht völlig krank ist?“ fragte er. „Oder haben wir hier einen Ritualmord, vielleicht so eine Art Voodoo?“
„Bis auf den Schnitt, die Platzwunde am Hinterkopf und eine Prellung am linken Ellbogen waren keine Verletzungen zu finden.“
Trotz des nüchternen Tonfalls war Bewegung in Dr. Schengens Stimme.
„Die Kopfwunde kann von einem stumpfen Gegenstand stammen oder vom Aufprall auf den Stahlboden, da bin ich noch nicht sicher. Und ich nehme an, sie ist genau dort getötet worden, wo sie gefunden
wurde.“
„Da war noch etwas“, sagte Dr. Schengen.
Die Männer blickten auf.
„Die Tote war schwanger, in der zehnten Woche.”
Keiner sagte ein Wort.
Berger stellte seine Tasse ab und blätterte durch den Bericht. Kurz darauf klappte er die Akte zu. Er stand auf und stellte sich neben Dr. Schengen vor das weit geöffnete Fenster. Er holte tief
Luft.
„Manchmal denke ich, man kann den Wahnsinn nicht mehr steigern, den wir hier jeden Tag haben. Körperverletzung, Totschlag, Mord. Und dann passiert doch wieder was, das bekloppter ist als alles,
was ich je erlebt habe.“
Dr. Schengen schloss die Augen.
„Das waren die ersten Ergebnisse“, sagte sie und wandte sich zum Gehen. „Morgen mehr.”
Koller nickte stumm zum Abschied, dann stellte er mit einem Knall seine Tasse ab.
„Also, was haben wir: eine Frau, die auf sehr ,eigenwillige‘ Weise umgebracht wurde, einen ungewöhnlichen Fundort der Leiche, den Tatzeitpunkt Nachmittag oder früher Abend am Freitag.
Irgendwelche Ideen?“
Schweigen.
„Wir sollten morgen weitermachen“, sagte Berger schließlich, seine Stimme klang sehr müde. „Dann sind die anderen dabei. Lass uns diesen Sonntag nicht völlig ruinieren.“
"Stille Herzen" ist ein Kriminalroman mit sehr realem Hintergrund.Hier stelle ich den Textanfang ein. Der Roman ist als eBook für nur 0,99€ bei den gängigen Portalen zu kaufen.
Bei der Druckversion ist die Formatierung nicht in Ordnung, daher kann ich sie im Moment nicht empfehlen. Ich arbeite an der Neuauflage.
Inhalt
Der Tod einer Frau stellt die Bonner Kripo vor ein Rätsel: Man hat ihr das Herz angehalten. Bei der Untersuchung stoßen Kommissar Koller und sein Team auf einen Fall von Menschenhandel und
enthüllen eine Kette von Entführungen, Gewalt und Verzweiflung, die sich durch ganz Europa zieht. Zugleich nimmt ein einsamer Rächer, der die Tote kannte, den Kampf gegen die Organisation von
Menschenhändlern auf. Schließlich findet die Kripo eine Zeugin, die bereit ist, gegen die skrupellosen Verbrecher auszusagen.
Doch die Organisation ist mächtiger, als sie ahnen.