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Am Meer

Die zweite Woche ohne Job ist rum, aber es geht gut. Ich habe meine Arbeit verloren, aber viel, viel Zeit gewonnen. Und die tut gut.

Mein Glück ist, dass ich sehr geringe Kosten habe. Ich lebe allein, wohne auf einem Campingplatz für ca. 130 Euro im Monat inkl. Nebenkosten. Hinzu kommen Gas zum Kochen und Heizen (ca. 50 € im Winter, 10 € im Sommer) und Strom (ca. 10 bis 20 €). Dank Solartechnik verbrauche ich sehr wenig Strom aus der Leitung.

Die Krankenkasse zahle ich selbst (ca. 190 € mtl.), dazu an meine Kinder jeweils 100 €. Die Kosten fürs Auto sind jetzt gering, da ich kaum noch fahre. Und Essen muss ich ja überall kaufen.

Also dachte ich mir, fahr mal ein paar Tage raus ans Meer. Und dann dieses wunderbare Wetter! Sonne den ganzen Tag! Da stört der kalte Wind kaum.

Nachts wärmt eine Gasheizung den VW-Bus, sonst würde es sehr unangenehm. Hab ich auch schon ohne gemacht, war sogar auszuhalten. Aber ich habe mir vorgenommen, mein Leben nicht bloß auszuhalten, sondern es zu genießen. Auch auf kleiner Flamme kann man Gutes kochen. Da sollte man bei aller Sparsamkeit nicht geizig werden.

Für andere habe ich in meinem Leben viel getan und gespendet, da muss ich kein schlechtes Gewissen haben. Zumal wenn ich sehe, auf welchem Niveau die meisten Menschen um mich herum leben und was sie sich so ganz normal alles gönnen. Für mich ist das nicht normal. Es ist ein teures Leben, für das man viel arbeiten muss. Und wenn dann die Arbeit plötzlich wegbricht, kommt die Angst um die Existenz.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, es geht nicht um deine Existenz, es geht um dein Leben. Aber nicht dass du lebst ist in Gefahr, sondern wie du lebst. Und wir leben hier weit, weit über dem, was normal ist auf diesem Planeten. Es ist leider eben nicht  normal, jeden Tag satt zu werden. Es ist nicht normal, sauberes Trinkwasser zu haben, geschweige denn direkt aus der eigenen Leitung. Nicht mal eine saubere, trockene, ordentlich funktionierende Wohnung ist normal. Und es ist ok, wenn wir sterben sollten. Schließlich ist es auch ok für uns, wenn alle drei Sekunden ein Mensch auf dieser Erde verhungert, und das seit Jahren. Es kümmert uns nicht. Sag' mir, warum sollten wir wichtiger sein als diese Menschen? Weil wir reicher sind? Hm.

Wenn ich von Leuten mit Existenzangst lese, dann weiß ich, dass diese Leute noch nie wirklich vor dem Abgrund standen, an dem Milliarden jeden Tag entlang balancieren. Sonst wüssten sie, dass sie den ganzen Scheiß, den sie besitzen, nicht zum Leben brauchen.

Aber was brauchen wir zum Leben?

Ich glaube, Corona und die Folgen bringt uns dazu, über die wirklich wichtigen Dinge nachzudenken. Vielleicht hilft es uns, ein wenig von unserer Angst zu verlieren, weil es am Ende nicht darauf ankommt, was du hast, sondern wer du bist.

Gut möglich, dass manche genau davor Angst haben.

 

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