Der namentlich nicht genannte Vize-Präsident eines international agierenden amerikanischen Konzerns beantwortete im vergangenen Jahr die Frage eines Journalisten, welche Gefahr für die globale Wirtschaft die größte sei, ohne Zögern. Eine Pandemie. Er hielt sich oft in Asien auf, besonders in China, wo sein Unternehmen Niederlassungen hat.
Es ist schon erstaunlich: Am 18. Oktober 2019 kamen in New York Unternehmensvorstände, Politiker, Wissenschaftler und Medienvertreter zu einem Planspiel zusammen, The Event 201, einem Projekt von Johns Hopkins Center for Public Health, World Economic Forum und Gates Stiftung. Thema: Was passiert im Falle einer Pandemie? Wie reagieren Politik und Wirtschaft? Welche Konsequenzen sind zu erwarten?
Die WHO hat jedes Jahr ca. 200 Epidemien zu bewältigen, also regional begrenzte Ausbrüche von Krankheiten. Da lag es nahe, eine globale Pandemie zu simulieren und die Reaktionen der Beteiligten zu prüfen.
Wie sich zeigte, entwirft die von Wissenschaftlern entwickelte Simulation ein Szenario, das dem, was wir zur Zeit erleben, sehr ähnlich ist. Zwar geht die Welle von Südamerika aus, genauer Brasilien, aber die Konsequenzen sind die gleichen. Ein Impfstoff ist erst nach einem Jahr verfügbar, ein (fiktives) Medikament kann lediglich die Symptome lindern, aber nicht die Ausbreitung verhindern. Diese erfolgt exponentiell, mit einer Verdoppelung der Fallzahlen etwa jede Woche. Nach 18 Monaten kommt das Experiment zum Ende, mit der Bilanz von 65 Millionen Toten weltweit. Danach ist die Krankheit aufgrund überwiegender Immunisierung der Weltbevölkerung vergleichbar mit einer heute üblichen Kinderkrankheit.
Die Simulation machte deutlich, wie wenig die Nationen auf einen solchen Fall vorbereitet waren.Hier die Empfehlungen:
- Unternehmen wurde empfohlen, Pläne zu entwickeln, wie man im Falle einer Pandemie dringend benötigte Güter flächendeckend bereitstellen könnte (Produktion, Logistik, Information).
- Die WHO hat Verträge mit Pharmaunternehmen für die Bereitstellung von Impfstoffen im Notfall, z. B. für Grippe. Ebenso sollten internationale Lagerbestände mit relevanten Versorgungsgütern vorgehalten werden bzw. Verträge die kurzfristige Lieferung sicherstellen. Rechtliche Grundlagen sollten geschaffen werden, eine Vereinfachung der internationalen Zusammenarbeit vorzubereiten.
- Regierungen, internationale Organisationen und Logistikunternehmen sollten sicherstellen, dass der Handel weiterhin ermöglicht wird, um die wirtschaftliche Situation zu stützen.
- Regierungen sollten mehr Mittel bereitstellen für die Entwicklung und Massenproduktion von Impfstoffen, Diagnostik und Medikamenten.
- Wirtschaftsunternehmen müssten mehr eingebunden werden in Planungen und Vorbereitungen für den Fall einer Pandemie. Die Kosten bzw. Verluste wären ansonsten erheblich höher. Dazu fehle bislang ein Bewusstsein für diese Gefahr.
- Internationale Organisationen sollten die Verringerung der wirtschaftlichen Folgen von Epidemien und Pandemien stärker berücksichtigen.
- Regierungen und der private Sektor sollten Maßnahmen gegen Fehlinformation während einer Pandemie stärker berücksichtigen.
Nur eine enge Kooperation von Wirtschaft und Politik und auch Änderungen im Verhalten können das Resultat positiv beeinflussen.
Aus heutiger Sicht kann man nur sagen: Ja, stimmt. Aber wir haben es einfach nicht glauben wollen.