Zahlenspiele

Der republikanische US-Senator Ron Johnson hat ein bemerkenswerte Einstellung zur Coronakrise gezeigt. Er sagte: "we don’t shut down our economy because tens of thousands of people die on the highways. It’s a risk we accept so we can move about. We don’t shut down our economies because tens of thousands of people die from the common flu …"

"Wir fahren unsere Wirtschaft nicht herunter, weil zehntausende Menschen auf den Straßen sterben. Es ist ein Risiko, das wir akzeptieren, um uns bewegen zu können. Wir fahren unsere Wirtschaften nicht herunter, weil zehntausende Menschen an der normalen Grippe sterben..."

So weit, so gut. Das nehmen auch wir Deutschen in Kauf. Aber dann vergleicht er das mit der Corona-Situation: “… getting coronavirus is not a death sentence except for maybe no more than 3.4 percent of our population (and) I think probably far less.

"... das Coronavirus zu bekommen ist keine Todesstrafe, außer für vielleicht nicht mehr als 3,4% unserer Bevölkerung (und) ich denke wahrscheinlich deutlich weniger."

Diese Zahl 3,4% stammt aus Prognosen von Wissenschaftlern. Bei 350 Million US-Bürgern wären das 11,9 Million Menschen. Selbst ein Prozent wären noch 3,5 Millionen Menschen.

Die offiziellen Zahlen in Italien stehen derzeit bei über 70000 Infizierten. Bislang sind 7000 Menschen in Italien an den Folgen der Infektion gestorben. Zwar ist das Durchschnittsalter der italienischen Bevölkerung eines der höchsten weltweit, dennoch ist das Verhältnis von Infektionen zu Todesfällen erschütternd. Da die Dunkelziffer nicht zu kalkulieren ist, sind offizielle Zahlen derzeit die einzige Möglichkeit, etwas über die Infektionen zu errechnen. In Italien sind demzufolge 10% der Erkrankten am Virus gestorben.

Zwei weitere republikanische Senatoren, Richard Burr und Kelly Loeffler, fielen auf, weil sie gleich im Anschluss an eine Sitzung aller Senatoren mit der Leitung der US-Gesundheitsbehörde am 24. Januar Aktien verkauften. Die Firmen, meist aus der Hotel- und Tourismusbranche, verloren in den folgenden Wochen bis zu zwei Dritteln ihres Börsenwertes. Das Bekanntwerden weiterer Fälle ist zu erwarten. Bereits 2018 hatte Elizabeth Warren vorgeschlagen, dass Senatoren und Repräsentanten keine Aktien haben dürften.

Auch Mitgliedern der Familie Trump, einschließlich des Präsidenten, wird vorgeworfen, ihre Unternehmen mit Steuergeldern zu versorgen.

Der Vize-Gouverneur von Texas, Dan Patrick, 70, sagte in einem Interview mit Fox-News: "If I get sick, I’ll go and try to get better, but if I don’t, I don’t, and I’m not trying to think of any kind of morbid way, Tucker, I’m just saying that we’ve got a choice here.” "Wenn ich krank werde, versuche ich wieder gesund zu werden, aber wenn ich das nicht werde, dann eben nicht, und ich versuche nicht irgendwie morbide zu denken, Tucker (Carlson, Moderator von Fox News), Ich sage bloß, das wir hier eine Wahl haben."

Das stimmt natürlich. Er sagte es aber im Zusammenhang mit der Wirtschaft: "we can’t lose our whole country" und befürchtet "total economic collapse and potentially a collapse of our society.” "Wir können nicht unser gesamtes Land verlieren" und "völliger wirtschaftlicher Zusammenbruch und möglicherweise ein Zusammenbruch unserer Gesellschaft".

Heißt: Er würde lieber sterben, als die Wirtschaft zusammenbrechen zu sehen.

Das klingt nobel. Dahinter steht jedoch das Weltbild, dass diese Form von Wirtschaft die einzig wahre ist und dass ihr alles geopfert werden sollte, auch das eigene Leben. Aber so einfach ist das nicht. Selbst wenn 12 Millionen Amerikaner sterben sollten, wird es weitergehen. Auch wenn 50 Millionen sterben. Ganz sicher anders, aber es geht weiter. Nach der Krise ist vor dem Aufschwung.

Aber es wäre eine vertane Chance, eine bessere, gerechtere und nachhaltigere Gesellschaft zu schaffen. Denn dass unsere Art zu wirtschaften nicht mehr lange gutgehen kann, dürfte jedem klar sein, der ein bisschen rechnen kann. Und dass immer weniger Menschen immer mehr auf diesem Planeten besitzen, während andere immer mehr arbeiten müssen, um überhaupt noch ihre Rechnungen zahlen zu können, stimmt – vorsichtig gesagt – nachdenklich. Eigentlich macht es wütend, oder sollte es zumindest.

Wollen wir diese einseitige Fixierung auf Profit und Macht in Zukunft noch weiter auf die Spitze treiben?