Ich meine meinem Wissen glauben zu können

In einem TED-Vortrag von Bill Gates von 2015 kann man erfahren, warum dieser Tage so Vieles schiefläuft.Bill und Melinda Gates stiften hunderte Millionen für die unterschiedlichsten Forschungsprojekte und stehen in Kontakt mit Wissenschaftlern, Ärzten und Ingenieuren weltweit.

Die WHO (Welt-Gesundheits-Organisation der UNO) hat jährlich etwa mit 200 (!) Epidemien und immer wieder neuen Virus-Varianten zu tun. Eine Pandemie war sozusagen irgendwann fällig. Jetzt zeigt sich, wie schlecht die reichen Nationen darauf vorbereitet sind. Und wie ungläubig sie reagierten.

Das hat auch mit Überheblichkeit zu tun. Man hat die Warnungen von Wissenschaftlern und Institutionen nicht ernst oder nicht ernst genug genommen. Vor allem in den reichen Ländern.

Haben wir nicht einen Katastrophenschutz in Deutschland? Dieses Wort fiel mir neulich ein. Aber es ist nur ein Wort, kein Schutz. Und keine Sicherheit vor irgendetwas.

Wir müssen uns dieser Tage von Manchem verabschieden, das sicher schien.

Die von Industrie, Politik und Werbung oft propagierte totale Kontrolle über die Welt ist eine gefährliche Illusion. Sie macht uns, wenn sie unserem Denken zugrunde liegt, überheblich und verwundbar genau da, wo man es nicht erwartet. Smart Homes, Smart Grids, Fernsteuerung per App und die Digitalisierung lassen den Eindruck entstehen, man könne per Knopfdruck die Welt gestalten. Abgesehen von dem aberwitzigen Energiebedarf, der dadurch ausgelöst wird, will man mit solchen Techniken die Probleme – nicht der Welt, sondern – der Menschheit lösen. Umweltkrise? Eine Sache der Planung. Wir haben die technische Lösung für die Probleme, die wir durch die Technik ausgelöst haben. Die Bosse der Industrie machen uns weis, sie wüssten, was zu tun ist.

Ich bin der Meinung, dass wir nur sehr, sehr wenig wirklich wissen. Das weitaus Meiste, das wir für Wissen halten, ist Glauben. Wir lesen, hören, erfahren etwas von irgendwem und stellen es nicht in Frage. Weil wir glauben, was wir lesen, hören, erfahren. Daraus bilden wir uns dann eine Meinung. Aber Meinung ist nicht Wissen.

Natürlich geht es nicht ohne Glauben, ohne Vertrauen in die Quelle. Aber wir sollten uns immer wieder daran erinnern, dass es eben kein Wissen ist, sondern eine Annahme. Glauben, mit anderen Worten. Dieselben Zahlen werden von verschiedenen Wissenschaftlern und Politikern verschieden interpretiert, oft kommen sie zu gegensätzlichen Schlussfolgerungen. Zahlen sind eben kein Wissen, sondern nur eine Basis für Interpretation. Für Meinung.

Wenn Wissenschaftler vorrechnen, dass irgendwann eine Pandemie droht, dann kann man ihnen glauben oder auch nicht. In jedem Fall wird es teuer werden. Der Unterschied: Wer die Warnungen glaubt und viel Geld investiert, wird viel Kritik und Anfeindung ernten, weil er/sie ja bloß für eine eventuelle Katastrophe vorbereitet.

Selbst wenn es deutlich weniger kostet als das, was wir jetzt erleben, nämlich das zu späte Reagieren, so wird jeder Politiker vor einer solchen Entscheidung zurückschrecken, weil sie unpopulär ist. In der Krise dagegen kann man Format zeigen, Führungsqualität, Entschlossenheit usw. Wir erleben gerade, wie sich potentielle Kanzlerkandidaten zu profilieren versuchen.

Henry Kissinger wurde einmal von einem CIA-Direktor zur Rede gestellt: "Warum haben Sie nichts unternommen? Ich hatte Sie doch gewarnt!" Er antwortete: "Sie haben mich gewarnt, aber nicht überzeugt."

Er sagte nicht: "Ich habe Ihnen nicht geglaubt." Dann wäre er verantwortlich gewesen. Er gab dem Anderen die Verantwortung.

Auch Politiker, die nicht so skrupellos sind wie Kissinger, sollten gelegentlich vorausdenken. Wir haben leider nur wenige, die den Mut zu unpopulären Entscheidungen haben. Und ich bin immer noch überzeugt, dass das Volk durchaus verstehen kann, warum etwas entschieden wird, wenn man ihm die Wahrheit sagt. Leider traut man uns das nur äußerst selten zu.

Ich meine, wir sollten einander mehr Wahrheit zumuten bzw. zutrauen. Das ist nicht zuletzt auch eine Frage des gegenseitigen Respekts.


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