Ihr Gesicht glänzte vor Schweiß, während sie die Fritten aus dem heißen Fett holte und abtropfen
ließ. Sie füllte sie in eine Stahlschüssel, gab Salz dazu und schaufelte sie auf Pappschalen. Sie fragte »Mayo oder Ketchup?«, drückte das Gewünschte aus großen Eimern darüber und reichte die
Portion nach draußen.
»Macht dreifuffzich«, sagte sie, hatte das Kleingeld schon parat und wandte sich gleich dem nächsten Kunden zu.
»Kleine mit Mayo«, sagte er und grinste.
Sie lächelte überrascht, als sie ihn erkannte.
»Dich hab ich seit der Schule nicht gesehen«, sagte sie. »Was zu trinken?«
Er schüttelte den Kopf.
»Geht aufs Haus«, sagte sie mit einem Augenzwinkern.
»Dann eine Limo. So kalt wie’s geht.«
Sie holte eine Flasche von ganz unten aus dem Kühlschrank, öffnete sie und stellte sie vor ihn hin.
»Pommes sind gleich fertig.«
»Und was machst du so?« fragte er.
Sie hatten sich nach der Schule aus den Augen verloren.
»Dies und das«, sagte sie. »Bisschen was verdienen. Ich will nach Berlin, zum Film. Hab schon ein paar Seminare gemacht, Sprechtraining und so. Macht total Spaß.«
Er nickte anerkennend.
»Coole Sache.«
Er kannte sie als starke Persönlichkeit, nicht besonders hübsch, aber pfiffig.
»Das hier ist nur ein Sommerjob. Bringt ganz gut Geld.«
Er nickte und sagte nicht, dass er sie schon im vergangenen Jahr gesehen hatte und im Jahr davor.
»Und du?«, fragte sie. »Wie läuft’s bei dir?«
»Geht so. Weiß nicht genau, was ich machen soll. Hab mir eine E-Gitarre gekauft und spiele in einer Band. Geht gut ab.«
Sie lächelte und drehte sich um. Die Pommes waren fertig. Sie ging nach hinten und machte gleich mehrere Portionen zurecht.
Sie reichte ihm die Schale.
»Kann man euch irgendwo hören?«
»Wir proben noch.«
Sie nickte und entschuldigte sich mit einem Schulterzucken.
»Sorry, ich muss leider. Vielleicht sieht man sich ja wieder.«
»Danke dir, und alles Gute mit Berlin!«
Sie winkte ihm zu, strich eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht und wandte sich dem Jungen hinter ihm zu.
»Zwei Flutschfinger und ein Cornetto Nuss!«
»Nuss ist alle, nur noch Erdbeer.«
Er ging davon und setzte sich unter einen Baum. Ab und zu warf er einen Blick auf den Kiosk. Er sah sie in der dunklen Fensteröffnung hin und her huschen wie einen Schatten. Ihr Gesicht war
nicht zu erkennen.
Ein warmer Wind strich über die Wiese, der Badesee glitzerte in der Sonne. Kinder quietschten, Väter spielten Ball, Mütter lasen oder betrieben Erziehung. Er machte sich über die Fritten her,
trank die Limonade, solange sie kalt war, und ließ seine Gedanken schweifen. Ihm war noch nicht klar, wohin die Reise gehen sollte. Er war auf die Handelsschule gegangen, um Zeit zu gewinnen
und in Ruhe zu überlegen, was er eigentlich wollte.
Schauspieler, dachte er, gar nicht schlecht. Aber Berlin? Ziemlich weit weg.
Er legte sich auf sein Handtuch, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und träumte davon, wie er auf der Bühne stand, wilde Läufe auf der E-Gitarre spielte und die Leute total ausflippten und
ihm zujubelten.
Nach der Handelsschule war es an der Zeit, eigene Wege zu gehen. Er zog in eine andere Stadt, machte eine Ausbildung, fand einen Job, der ganz ok war, und verdiente genug, um klarzukommen.
Die Gitarre hatte er mitgenommen, aber zum Spielen kam er kaum noch, und irgendwann verkaufte er sie einem jungen Burschen, der sie begeistert nach Hause trug.
Einmal, spät abends, sah er einen Film und glaubte sie in einer Nebenrolle zu erkennen. Schnell wechselte er den Sender.
Manchmal fuhr er in seine Heimatstadt, besuchte die Eltern und traf alte Freunde, ging schwimmen im See. Als er sich an einem sehr heißen Sommertag im Strandbad ein Bier holen wollte, sah er
einen Schatten im Kiosk hin und her huschen, und bevor er das Gesicht erkennen konnte, drehte er um und packte seine Sachen.
Er kam nie wieder an den See zurück.