Stimmt natürlich nicht. Irgendwas wird immer geregelt. Aber rein marktwirtschaftlich sind Menschen auch nur eine Ressource, wie Kapital, Energie, Information und Rohstoffe. Man darf daher bezweifeln, dass ein Markt (= eine Wirtschaft) mit der Krise im Sinne der Menschen umginge.
Auch Unternehmen sind nur Menschen. Aber ihre Zielsetzung ist losgelöst vom allgemeinen Interesse. Das Ziel "Profit" wird, außer in Zeiten größter Not, nicht in Frage gestellt. Bis an die Grenze dessen, was legal oder zu verantworten ist. Letzteres ist sehr dehnbar, subjektiv.
Emmanuel Macron hat nun erkannt, dass Unabhängigkeit in Zeiten der Not ein wesentlicher Faktor ist. Er will die Produktion "strategischer Gesundheitsprodukte" wie Masken, Kittel und Ähnliches in Frankreich haben. "Wir müssen in Frankreich produzieren, auf unserem Territorium, von jetzt an. Gewisse Prudukte und gewisse Materialien haben eine strategische Bedeutung und wir brauchen ein unabhängiges Europa, um unsere Abhängigkeit zu reduzieren", sagte er und kündigte Investitionen in Höhe von 4 Mrd. Euro an.
Erst vor zwei Jahren wurde eine der größten Produktionsanlagen in Frankreich an den US-Konzern Honeywell verkauft und ins Ausland verlagert. Die Produktionsanlagen wurden zerstört. Bereits damals gab es Warnungen, das sei gefährlich im Falle einer Epidemie.
Vom Standpunkt der Banken und Konzerne aus gesehen bietet ein Mangel an Produkten die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen. Wer eine Charge Masken oder Medikamente oder Lebensmittel zurückhält, steigert bei steigender Nachfrage den Profit.
Unmoralisch? Nur, wenn reiche Länder betroffen sind. Ansonsten ist es tägliches Geschäft mit Reis und anderen "Rohstoffen" auf dem Weltmarkt. Der Hunger, der immer noch alle drei Sekunden einen Menschen sterben lässt, ist die Grundlage für Spekulationen. Auch deren Folge. Und eine permanente Schande für uns.
Was der Markt regelt, sieht man an einem schönen Beispiel: Großbritannien exportierte vor einigen Jahren ziemlich genau 40 Mio. Liter Milch ins Ausland. Raten Sie mal, wie viel Großbritannien im selben Jahr importierte! 40 Mio. Liter. Was, bitte, wurde da effizient geregelt?
Berichte aus Italien, Spanien und Frankreich über eilige Großbestellungen bei chinesischen Lieferanten haben wiederholt gezeigt, dass ein Teil der gelieferten Produkte schlecht verarbeitet oder schlichtweg unbrauchbar war. Insofern und in Anbetracht der mangelnden Bestände und Kapazitäten in Europa weist Macrons Ankündigung in die richtige Richtung. In Frankreich wurde die Produktion von Masken von 3,3 auf 15 Millionen pro Woche erhöht, was aber noch nicht ausreicht. Bis Ende des Jahres will man bei den wichtigsten Gütern wie Masken und Beatmungsgeräten unabhängig von Importen sein.
Ein großer Teil der Maschinen, mit denen die Masken in China produziert werden, stammen aus Deutschland. Es wäre nicht schlecht, ein paar davon auch hier in Betrieb zu nehmen. Und die Löhne? Machen ohnehin nur einen geringen Teil der Gesamtkosten aus. Und: Wir dürfen uns nicht länger selbst zu teuer sein, wenn Qualität entscheidend ist.
Ich möchte, ganz ehrlich, viel lieber an einem deutschen als an einem chinesischen Beatmungsgerät hängen. (Böser Witz: Das einzige Produkt aus China, das länger als vier Wochen funktioniert, ist das Corona-Virus.)
Und der Markt, das sehen wir jetzt, braucht eine klare Vorgabe seitens der Politik. Denn die setzt in solchen Zeiten andere Prioritäten als Profit. Gott sei Dank.