Mundus vult decipi

Nancy Messonnier warnt die USA am 25.2. vor der Ausbreitung des Virus. Vergeblich. © Samuel Corum Getty Images - Politico
Nancy Messonnier warnt die USA am 25.2. vor der Ausbreitung des Virus. Vergeblich. © Samuel Corum Getty Images - Politico

Die Welt will belogen sein. Dieser Spruch hat mich immer geärgert, aber ich muss zugeben, dass er nicht selten zutrifft.

Mit der Welt ist natürlich die Menschheit gemeint. Wir sind die Welt für uns.

Warum sollte man sich täuschen lassen wollen? Wenn die Wahrheit zu schmerzhaft ist? Die Folgen des Leugnens werden in jedem Falle noch schmerzhafter sein.

Aber Hand aufs Herz: Wer hat nicht schon selbst bis zuletzt gewartet, ob es nicht doch gut geht? Wir alle haben es verinnerlicht, dieses Leugnen des Offensichtlichen.

Solange ich die Folgen selbst ausbaden muss, geht es ja noch. Aber was, wenn Andere auslöffeln müssen, was ich ihnen eingebrockt habe?

Krasses Beispiel: Donald Trump behauptet derzeit "If we can keep the numbers [of dead people] at 100.000 we did a good job." "Wenn wir die Zahl [der Todesfälle] bei 100.000 halten, haben wir einen guten Job gemacht." Er vergleicht diese Zahl mit den bis zu 2,2 Millionen Toten, die man errechnet hat für den Fall, dass nichts gegen Corona unternommen wird. Was natürlich völlig theoretisch ist.

Durch den Vergleich mit einer irrelevanten Zahl versucht er sein viel zu langes Leugnen, die viel zu spät ergriffenen Maßnahmen schon jetzt als Erfolg darzustellen. Dabei hat er alle frühen Warnungen konsequent unterdrückt. Er baut vor gegen die Offensichtlichkeit seines Versagens als Präsident und Krisenmanager.

Als Nancy Messonier, Direktorin bei der Forschungsstelle des CDC, am 25.2. die Öffentlichkeit warnte, es sei keine Frage mehr, ob das Virus sich verbreite, sondern nur noch in welchem Ausmaß, hatte das eine sofortige Auswirkung auf die Börse. Trump war sehr erbost darüber und erreichte, dass das CDC in späteren Aussagen deutlich zurückruderte. Obwohl die Aussage völlig korrekt war und eigentlich sofortige Maßnahmen nötig gewesen wären, um eben die 100.000 oder sogar mehr Menschen gar nicht erst zu gefährden, die jetzt von Trump als "good job" dargestellt werden. Zynischer geht es wohl kaum.

Stattdessen wurde massiver Druck auf die Wissenschaftler ausgeübt, keine Panik zu verbreiten. Das wäre nicht gut für den Dow Jones und die Wirtschaft überhaupt.

Trump legt großen Wert auf gute Aktienwerte. Er will Erfolge, keine Panik. Er schafft sich seine eigene Welt, in der die Wahrheit, wenn überhaupt, eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Umso mehr, wenn sie unangenehm ist. Meldungen mehren sich aus Kreisen (meist früherer) enger Mitarbeiter, dass er kaum von etwas zu überzeugen sei. Und jederzeit wieder spontan den Kurs ändern könne, egal, was besprochen worden sei.

Die amerikanische Öffentlichkeit ist – wieder einmal – extrem gespalten. Doch trotz massiver Kritik von seiten vieler Medien steht Trump dank seiner stoischen Wiederholung immer derselben Unwahrheiten beim Volk unerwartet hoch in der Gunst. Je nach Umfrage liegt die Zustimmung zu seiner Politik zwischen 30 und sagenhaften 60%.

Unterstützt wird er vor Allem von Fox News, dem Nachrichtensender der Republikaner, der seine Aussagen sendet, ohne sie zu relativieren. Und Trump bezieht seine Informationen natürlich gerne von Fox. Ein Teufelskreis.

Es bestätigt sich, was schon Goebbels wusste: Eine Aussage muss nicht wahr sein, um geglaubt zu werden; es genügt, sie immer und immer wieder zu wiederholen.

Trump ist seine eigene Welt. Und die, das ist mittlerweile mehr als deutlich, will getäuscht werden. Ausbaden müssen es alle Amerikaner.

Verlauf des Dow Jones in den vergangenen drei Monaten. Quelle: finanzen.net
Verlauf des Dow Jones in den vergangenen drei Monaten. Quelle: finanzen.net