Kurt

Ich sah ihn vor seiner Hütte werkeln und ging hinüber. Zwei Bretter lagen auf Böcken vor ihm, er fegte sie mit einer Bürste ab. Ich grüßte und trat zu ihm. Er blickte mich über den Rand seiner kleinen Brille an und grüßte zurück.
„Zeit für einen Anstrich?“, fragte ich.
„Ja“, sagte er, „heute ist es nicht mehr so heiß, da geht es besser.“
Die Farbe für den Voranstrich sei so zäh, dass sie in der Sonne zu schnell trocken werde.  Aber jetzt sei er beim Lackieren, das ginge besser von der Hand.
„Offenporig“, sagte er, „damit das Holz atmen kann. Sonst staut sich die Feuchtigkeit und dann geht es wie beim Nachbarn da drüben –“ er zeigt auf eine Holzwand gegenüber „– dem wurde das Holz nach zwei Jahren blau auf der Innenseite. Hat den falschen Lack genommen.“
„Ärgerlich“, sage ich.
„Man muss sich nur ein bisschen informieren“, sagt er, „und sein Geld für gutes Material ausgeben. Dann hat man weniger Arbeit und Ärger.“ Er zeigt auf eine Lackdose. „Kostet vierzig Euro das Kilo, aber dafür hält es auch zehn Jahre.“
Ich lasse den Blick über seine Holzfassade wandern. Helles Grau und Weiß im Kontrast. Sieht gut aus. Sauber. Was er macht, macht er gut.
Er zeigt auf eine Stelle, wo ein Brett nicht ganz eben ist.
„Da war ein Riss. Ich habe die Oberfräse genommen, eine Nut gezogen und eine Leiste eingesetzt. Hier auch. Die Risse haben mich gestört. Ich hatte extra gutes Holz gekauft und noch etwas trocknen lassen, dabei sind zwei Bretter gerissen. Naja, jetzt ist es in Ordnung.“
Er beschreibt mir, wie er den Wohnwagen mit den Brettern umbaut hat, dass er ihn sorgsam mit Styropor isoliert hat, dass keine Luft hinter die Isolierung darf, wie gut er jetzt gedämmt ist gegen Kälte und Hitze.
An einer Wand neben uns sind schmale Spalte zwischen den Brettern erkennbar.
„Jetzt ist es ziemlich trocken“, sagt er. „Da zieht sich das Holz zusammen. Die Bretter werden um ein bis zwei Millimeter schmaler.“
„Und im Herbst gehen sie wieder auseinander und alles passt“, sage ich.
„Hier unten –“ er zeigt auf drei waagerechte Bretter, die den Wohnwagen zum Boden hin verkleiden „– stellen viele die Bretter hochkant auf. Und dann wundern sie sich, dass sie nach ein paar Monaten schief stehen. Die brauchen viel Platz, um sich auszudehnen.“
Er erzählt, dass er drei Berufe gelernt hat: Tischler, technischer Zeichner und Konditor.
„Und welchen hast du am liebsten ausgeübt?“
„Technischer Zeichner. Das war eine gute Firma, die haben sich um ihre Leute gekümmert. Wenn jemand ein Auto brauchte, hat der Einkauf beim Händler angerufen und gesagt, die sollen einen guten Preis machen.“
Danach hat er viele Jahre bei Karstadt gearbeitet, Küchen montiert. Auch bei einem der Aldi-Brüder.
„Vier Lkws mit Küchenmöbeln für 150000 Mark“, sagt er. „Wir sind mit Polizeischutz auf das Gelände gefahren, wurden jeden Tag gefilzt, wenn wir nach Hause gingen.“
Ich höre ihm zu, wie er von den alten Zeiten erzählt, ruhig und ohne Hast. Wenn er mich anschaut, dann ist sein Blick fest und ohne Schwanken. Einmal montierten Kollegen eine teure Küche und wenig später rief der erboste Kunde an, man solle die Küche wieder abholen, er habe schon einen Rechtsanwalt mit einer Klage beauftragt. Kurt wurde zu dem Kunden geschickt und sorgte dafür, dass alles friedlich gelöst wurde.
Als sein Chef abends auf dem Hof auf seine Monteure wartete und sagte, er käme aber spät, meinte Kurt, wie oft jemand seine Arbeit noch mal nachbessern müsse. Nie, sagte der Chef. Dann ist ja gut, meinte Kurt. Oder hast du noch mehr Fragen?
Es beeindruckt mich, wenn jemand weiß, was er tut. Wenn jemand sich Zeit nimmt, die Dinge so gut zu machen, wie es ihm möglich ist. Wenn man sie dann später anschaut, weiß man, dass sie nicht besser hätten werden können.
Es muss ein gutes Gefühl sein, von solchen Dingen umgeben zu sein.


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