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Brausengrausen

Ein alter Mann erwachte eines Morgens vor Sonnenaufgang. Er stand auf wie immer, zog sich an wie immer, aß und trank wie immer. Doch dann ging er hinaus, stieg auf den Berg draußen vor der Stadt und setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm.
Dort saß er still, weit unter sich die Stadt und ihre Straßen. Er beobachtete, wie die Sonne am Himmel aufstieg, lauschte auf das Rauschen, das von der Stadt heraufdrang und anhielt bis Sonnenuntergang. Die Menschen und ihr Treiben, ihr Denken und Reden und Tun erschufen dieses Geräusch, und er fragte sich, ob wohl die ganze Welt von diesem Brausen erfasst war.

Mit der Dämmerung stieg er hinab und ging nach Hause.
Als er am nächsten Morgen vor die Tür trat, war ihm, als sähe er zum ersten Mal, wie weit die Straße in die Ferne führte. Doch er wandte sich um und ging auf den Berg, saß dort den ganzen Tag und kehrte erst zurück, als die Stadt zur Ruhe kam.
Dieses Rauschen, dachte er, ist wie ein Rausch. Und ich will doch klar sein.
Am folgenden Tag wachte er spät auf. Es war schon hell und er hörte, wie es zum offenen Fenster hereinbrauste. Nie zuvor war ihm das so deutlich aufgefallen. Schweiß brach ihm aus allen Poren, schnell stand er auf.
Gleich nach dem Frühstück packte er ein Bündel, warf es über die Schulter und ging die Straße, die aus der Stadt hinaus in die Welt führte. Er wollte wissen, ob es ein Leben ohne dieses Rauschen gab.
Seine Wohnung wurde bald an jemand anderen vermietet, und ich habe ihn nie wieder gesehen.
Einmal erreichte mich ein kleines Paket ohne Absender und ohne Nachricht. Eine schöne Muschel lag darin.
Ich hielt sie ans Ohr und erschrak.


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