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2. Tag: Tours

Stundenlange Fahrerei über Landstraßen, immerhin mit zügigem Tempo. Nur in den Dörfern und an den endlos vielen Kreiseln muss ich langsamer fahren.
In Tours mache ich Station, um mir die Innenstadt anzusehen. Eine schöne Mischung aus alt und modern. Der Bahnhof sieht aus wie ein Schloss, gleich davor ein supermoderner Busbahnhof. Die Straßenbahnen sind gestylt wie Ufos. Frankreich überrascht immer wieder mit seiner Modernität, die aus der historischen Substanz herauswächst.
Ich mache Rast in einem Café, das ein Außenzelt hat. Dabei fällt mir eine junge Frau auf. Ihr Gesicht ist das einer Frau, mit den Pausbacken eines Mädchens. Auch die Frisur lässt sie älter aussehen. Sie ist siebzehn, vielleicht achtzehn, unterwegs mit einer Gruppe junger Leute. Sie tippt die ganze Zeit auf ihrem Handy, lauscht aber immer wieder mit einem Lächeln auf die Gespräche ihrer Begleiter, ohne sich zu beteiligen.
Ich mache ein Foto von ihr, weil mir ihr ausdrucksvolles, schönes Gesicht auffällt und ich es nicht vergessen will. Offenbar gehe ich dabei nicht sehr diskret vor, denn gleich darauf kommt ein junger Mann zu mir und sagt, ich hätte mein Handy in ihre Richtung gehalten und welchen Grund das habe. Ein junger Kellner steht ihm bei. Ich erwidere, das hätte ich wegen der Reflexionen auf dem Bildschirm getan, als ich etwas lesen wollte. Ich hätte kein Foto gemacht, aber es sei gut, dass er gefragt habe. Er winkt beruhigt ab und geht wieder an den Tisch zurück.
Ich habe gelogen und fühle mich sogar ein bisschen unwohl deswegen. Darf man sich solche Dinge herausnehmen? Wohl nicht. Nicht einmal für die Kunst. Ich mach’s auch nie wieder. Versprochen.
Nach einigen Stunden durch die Dörfer fahre ich eine Mautstrecke, um zügiger nach Süden zu kommen, dann eine Schnellstraße. Am Abend, nach zehn, hänge ich mich an einen Lkw aus Portugal, der sehr flott unterwegs ist. Als er um halb zwölf auf eine Raststätte abbiegt, fahre ich noch eine halbe Stunde, dann suche ich einen Feldweg, um dort die Nacht zu verbringen.
Am nächsten Morgen ist die Wiese um mich herum weiß von Reif. Bald steigt die Sonne über die Baumwipfel und taut alles sehr schnell weg. Es wird erstaunlich warm.


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