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Radler gegen zehn

Die Hitze nimmt mir in diesen Tagen viel von meiner Lust etwas zu tun. Nicht so den Wespen. Sie schwirren aufgeregt um mich her, sobald etwas anderes als Wasser auf den Tisch kommt.

Soeben aß ich einen Salat mit gebratenem Ziegenkäse, allerdings unter ständig zunehmendem Anteil an Wespen auf dem Teller. Also mit Bedacht die Gabel zum Mund geführt, sonst wird es gefährlich.

Vorgestern stach mich eine Wespe, weil ich sie versehentlich mit dem Oberarm an mich drückte. Es brannte wie eine glühende Nadel. Ich drückte die heiße Kaffeetasse, die ich in der Hand hielt, auf die glühende Stelle, um das Gift durch die Hitze zu zersetzen. Das brauchte Überwindung und verstärkte noch den Schmerz, doch es half. Das Brennen ließ nach wenigen Augenblicken nach und war danach gut auszuhalten. Jetzt ist nur noch eine juckende Schwellung übrig die aber seit heute Mittag kaum noch gerötet ist.

Glück gehabt.

Ansonsten komme ich mit den Wespen ganz gut zurecht, selbst wenn sie mir über den Körper krabbeln. Was ich nicht vertrage, sind Wespen auf dem Mund. Ich bin als Jugendlicher von einer Hummel in die Lippe gestochen worden, ohne dass ich sie bedroht hätte. Der Schmerz war wild, noch wilder die bis zum Platzen aufgeschwollene Lippe, die unsäglich weh tat.

Alle paar Tage gellt das Schreien eines Kindes über den Campingplatz, das von einer Wespe gestochen wurde.

Wenn ich jetzt  einen Radler trinken möchte, dann wird es ungemütlich. Innerhalb einer Minute tummelt sich ein Dutzend Wespen um das Glas und um meinen Mund, die aufgeregt umher schwirren. Das nervt, denn ich trinke gern kalten Radler bei dieser Hitze.

Ein Bekannter sagte mir, dass man mit Wasser aus einer Sprühflasche die Wespen vertreiben könne, denn sie mögen es nicht, wenn ihre Flügel nass werden. Seitdem sprühe ich sie mir aus dem Gesicht, wenn sie nicht weichen wollen. Und tatsächlich fliegen sie davon. Es sind so viele, dass ich ständig nachtanke.

Gestern fand ich eine Lösung, wenn ich Radler trinken will.

Ich füllte etwas Bier und Zitronenlimonade in eine leere Weinflasche. Eine Wespe nach der anderen fand den Weg durch den schmalen Flaschenhals und hing kopfüber innen am Glas, um die süß duftende Flüssigkeit zu trinken.

Doch das Glas ist glatt, nur mit Mühe können sich die Tiere daran festhalten. Immer wieder müssen sie die Flügel zu Hilfe nehmen, um sich fortzubewegen.

Ob es am Alkohol liegt? Nur wenig später liegen sieben, acht Wespen in der Flüssigkeit. Ich sehe, wie sie strampeln. Die anderen trinken ungerührt, direkt neben ihnen. Oft stürzt eine, die eben noch fliegt, ganz unvermittelt in den Radler. Manch einer gelingt es, sich so hoch zu stemmen, dass die Flügel sie hinausziehen. Doch kaum eine schafft es bis hinauf zur Öffnung. Dort kommen ihr dann andere entgegen, die dem süßen Duft folgen.

Die schwimmenden klettern übereinander, stoßen die schwächeren Tiere unter sich, und finden doch keinen Halt. Und immer neue Wespen finden den Weg in die Flasche. Manche, die dem Tod entronnen sind und es hinaus geschafft haben, fliegen davon, kreisen eine Weile, und kehren dann zurück in die Flasche.

Bald ist die Oberfläche der Flüssigkeit bedeckt von Wespen. Einige strampeln, die meisten treiben reglos. Als eine hineinfällt, beginnt eine reglose plötzlich wieder zu strampeln, klettert über die neue, die sich wehrt, und versucht vergeblich hinauszugelangen.

Es ist verstörend zu beobachten, wie ihre Zahl immer weiter zunimmt. Und wie die neu hinzu gekommenen neben den Ertrinkenden oder Toten gierig trinken, bis sie selbst hineinfallen.

Erst gegen zehn Uhr am Abend kann ich ungestört meinen Radler trinken, wenn die Wespen sich verzogen haben. Dann kippe ich die Flasche mit den toten Tieren in der Nähe der Wasserschale aus, die ich den Amseln hingestellt habe. Am nächsten Morgen sind sie verschwunden. Wahrscheinlich hat die Amsel dann einen Schwips von den Radlerwespen.


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