Wenn es schön ist um dich her, dann möchtest du nicht weg. Ich bin jetzt zwei Tage hier, gleich beginnt die Nacht, und es ist so schön, dass ich noch zwei Wochen hier verbringen könnte. Aber
morgen Abend hole ich Hermann in Faro ab, dann sind wir eine Woche gemeinsam unterwegs in Portugal.
Ich sehe auf das Meer, das im letzten Licht silberblau schimmert, sehe die Wogen, die unentwegt an Land rollen und wummern, donnern, brausen, brechen, rauschen, schäumen und zischen. Darüber ein
Stern, der einsam die Grenze zwischen Blau und Türkis markiert, zwischen Nacht und Abend, darunter verblassend die letzten rötlich-gelben Farben im Westen. Vor wenigen Minuten noch waren Erde und
Meer in dunsthelles Silber getaucht, die Wellen rollten silberblau heran, schäumten in glänzendem Silberschaum aus und alles war magisch, ätherisch, schwebend im Raum wie eine Fantasie.
Jetzt sind die Geräusche dieselben, doch die Dunkelheit entzieht der Welt ihren Zauber, hüllt alles Reale in die Möglichkeit des Vielleicht-auch-nicht, die Sinne wissen nicht mehr, was sie
wahrnehmen, sondern ahnen nur noch und zweifeln und versuchen zu erkennen, doch die Dinge sind unscharf geworden, mehr Ahnung als Wissen, mehr Möglichkeit als konkretes Objekt. Die Realität wird
zur Wirklichkeit, denn auch das Unscharfe, Vage, Geahnte wirkt, viel stärker noch als die Welt im harten Licht des Tages. Wirklichkeit ist das, was wirkt, und das ist weit mehr als die Realität.
Ich sehe den Bildschirm des Laptops auf meinen Knien wie einen Fremdkörper in dieser Wirklichkeit leuchten, und weiß, dass ein kompliziertes System für die Energieversorgung notwendig ist,
ansonsten hörte dieses Leuchten bald auf und ich müsste im Schein einer Kerze zu Papier bringen, was mir durch den Kopf geht.
Ich kann schneller tippen als mit Stift schreiben, aber vielleicht wäre das Analoge Gedanken wie diesen eher angemessen. Seltsamerweise habe ich mehrere Notizbücher dabei – vielleicht will
ich doch lieber darin schreiben? Und doch greife ich selbst in diesem schönen Moment des Übergangs vom Licht zur Dunkelheit zum Laptop, um meine Gedanken festzuhalten.
Jetzt blendet der Monitor selbst auf kleinster Helligkeitsstufe so sehr, dass ich fast nichts mehr von der Welt um mich her wahrnehme, außer einem Leuchtturm in einigen Kilometern Entfernung, und
dem Lichtschein einer Stadt am Himmel. Über dem Meer ist nur noch ein kaum erkennbares Schimmern zu sehen. Wenn ich jetzt das Laptop zuklappe, dauert es einige Zeit, dann sehe ich wieder
mehr.
–
Ah, die Sterne! Orion, der große Wagen, die Pleïaden – wie schön! Wie unendlich schön! Ich wünschte, ich kennte mehr Sternbilder. Hätte ich mein iPad dabei, dann könnte ich sie alle
identifizieren. Es hat eine App, die den Sternenhimmel zeigt mit allen sichtbaren Sternen und ihren Bezeichnungen. Ich liebe es, mir damit den Nachthimmel erklären zu lassen. Aber ich habe das
iPad vergessen, wie so Vieles.
Egal. Ich habe mich mit dem, was ich dabei habe, arrangiert, und es ist gut. Gestern und heute habe ich noch einmal einige Kleinigkeiten verbessert, und das tut gut. Es hat mir geholfen, den
wenigen Raum viel besser zu nutzen. Jetzt bin ich auch nicht mehr so grantig. Gut, dass ich Werkzeug und Material eingepackt habe.
Heute war es den ganzen Tag sonnig. Mit dem Solarkoffer habe ich die Zusatzbatterien ordentlich aufgeladen, das freut mich. Ich möchte möglichst wenig Technik einsetzen, und die sollte dann
unauffällig und effizient funktionieren. Dass der Ladebooster die Batterien während der Fahrt nicht auflädt, ist ärgerlich. Um so besser, dass ich den Solarkoffer mitgenommen habe. Ich hoffe, ich
finde den Fehler bald.
Wenn ich am Meer bin und die Brandung höre, geht es mir gleich besser. Dieser Platz hier neben der Lagune von Melides ist wunderbar. Ich sehe und höre die Wellen, stehe im Grünen und kann wählen
zwischen Schatten und Sonne. Und es gibt sicher noch viele andere schöne Stellen, an denen man stehen kann.
Ich hoffe, dass ich den nächsten Winter in Portugal verbringen werde, wenn ich im Sommer genug verdiene, und da sieht es ganz gut aus. Die Uni hat mir mehr Stunden zugewiesen, und vom SOS
Kinderdorf kam eine Anfrage, ob ich den Deutschkurs für Flüchtlinge halten könnte.
Ich träumte
von der Wirklichkeit.
Alle Sprache dieser Welt
reicht nicht,
sie zu beschreiben.
Ich wachte auf.
Es war traumhaft.
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